Über den juristischen Kampf gegen Gewalt an Frauen und für Menschenrechte mit JUMEN

Juli 31, 2023
  • CW: häusliche Gewalt, Gewalt gegen Frauen, Vergewaltigung, Femizide, Mord (an Kindern)

Als die umstrittene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) bei dem EU-Innenminister:innenrat beschlossen wurde, haben wir JUMEN – Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland gebeten, die Reform für uns einzuordnen. Aber JUMEN arbeitet nicht nur zu Asylthemen und -recht, sondern geht juristisch auch andere große Probleme im Bereich Menschenrechte im Land an, die so omnipräsent sind, dass man sich oft machtlos fühlt. Eines davon ist Gewalt gegen Frauen. „Letztlich ist Jura ein Machtinstrument, ein sehr mächtiges Handwerkszeug, um in unterschiedlichen Bereichen etwas zu verändern“, sagt Kaja Deller. Sie selbst promoviert zum Schutz von Opferzeug:innen in Sexualstrafverfahren und der Anwendbarkeit der Istanbul-Konvention. Seit mehreren Jahren arbeitet sie bei JUMEN zu den gleichen Themen, insbesondere im Projekt „Gewalt gegen Frauen – Genderstereotype in der Justiz“.

Kaja hat uns erklärt, wie menschenrechtspolitische Arbeit juristisch funktioniert und wie ihre Strategie, Frauen vor Gewalt und ihrer Fortführung vor Gericht schützen könnte.

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Was ist das zweite Thema zu dem ihr arbeitet?

Ein weiterer großer Bereich, mit dem wir damals begonnen haben und an dem wir und ich persönlich auch arbeite, ist geschlechtsspezifische Gewalt. Es gibt zwei Tage im Jahr, wo die große gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf diesem Thema liegt – der internationale feministische Kampftag im März und der Tag gegen Gewalt an Frauen Ende November – aber das Thema ist leider auch darüber hinaus immer präsent. Denn das eigene Zuhause ist der gefährlichste Ort für Frauen.

Allein aus der Statistik des Bundeskriminalamts wissen wir, dass in Deutschland jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Expartner getötet wird und dass es jeden Tag einer versucht – und das sind eben nur die offiziellen Zahlen. Es gibt aber eine wahnsinnig hohe Dunkelziffer. Ich finde es immer wieder schockierend, diese Zahlen zu hören und der geringe Aufschrei abseits der Aktionstage verwundert mich immer wieder aufs Neue. Und auch, wenn wir die Datenlage nicht genau kennen, wissen wir, dass auch die Zahlen bei sexualisierter häuslicher Gewalt riesig sind. Wir haben deshalb angefangen, uns inhaltlich auf Vergewaltigungsmythen zu fokussieren, die auch in der Justiz auftreten, also in dem Verfahren selbst.

Worum geht es dabei?

Wir sagen, dass es in Verfahren häufig eine Perpetuierung, also eine Fortführung der Gewalt gibt. Die Beispiele, wie sich das äußert, sind die klassischen Narrative: Da wird gefragt, weshalb die Opferzeugin einen kurzen Rock getragen hat. Oder weshalb sie den Angeklagten gefragt hat, ob er mit ihr nach Hause kommen will, wenn sie das am Ende gar nicht gewollt hätte. Das sind gesellschaftlich internalisierte Vorstellungen – die gibt es sowohl zu dem biologischen Geschlecht als zum Beispiel auch zu rassistischen Wertungen. Die vielen Vergewaltigungsmythen beziehen sich darauf – egal, ob bewusst oder unbewusst. „Wenn sie nein sagt, meint sie eigentlich ja“, ihr Alkoholkonsum, ihre weiteren Verhaltensweisen, all das ist Teil davon.

Wo setzt eure Arbeit hier an?

Wir schauen genau darauf und fragen: Was müsste von staatlicher Seite gemacht werden, um diese Perpetuierung zu verhindern? Und was passiert da gerade nicht? Bei JUMEN bedienen wir uns der Methode der strategischen Prozessführung. Das ist ein juristisch politisches Mittel, das das Ziel verfolgt, über den Einzelfall hinaus Veränderungen für eine größere Gruppe zu bewirken. Das heißt – sehr heruntergebrochen – dass man sich eines Einzelfalls bedient, sich durch die Instanzen klagt und versucht, ein höchstrichterliches Urteil zu bewirken, was dann eben eine breitere Auswirkung hat.

Den ganzen Artikel gibt es hier zum Nachlesen.

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