LGBTIQ-Aktivismus in Polen: Zwischen entmenschlichender Politik und neugewonnener Unterstützung

Oktober 29, 2020

Das ganze Interview gibt’s bei .divers.

Die rechte Regierung Polens hat die LGBTQI+ Community zum Feindbild erklärt: Sie richtete LGBTQI+-freie Zonen ein, propagiert Lügen über die „LGBTQI-Ideologie“ in den Medien und wendet brutale Polizeigewalt auf Demonstrationen an. Seit der Wiederwahl des Präsidenten Andrzej Duda wissen Aktivist*innen des Landes: Die Situation wird sich in den kommenden Jahren wohl eher weiter verschärfen, als entspannen – ein Interview mit zwei Aktivist*innen von Lambda, dem ältesten und drittgrößten Verein für LGBT+-Rechte Polens über die Dissonanz zwischen wachsender Gewalt und wachsender Unterstützung, einem Kampf gegen Windmühlen, Hoffnung und weshalb die Lage uns alle etwas angeht.
(Der Verein Lambda bezieht sich ausdrücklich auf LGBT+ ohne „Q“ und „I“. Anm. d. Red.)

Sławomir und Hubert: Wie ist die Lage?

Sławomir: Schlecht. Strukturell wird es uns von allen Seiten schwer gemacht. Die Hassreden der Regierung sind schlimm. Unsere Finanzierung als Verein wird an jeder Ecke gekürzt. Eine große rechtsgerichtete Vereinigung, namens Ordo iuris, ist überall. Sie folgt jedem unserer Schritte, möchte über jedes unserer Gelder aus öffentlichen Quellen informiert werden: Wo es hinfließt und weshalb. Wir fühlen uns permanent beobachtet.

Hubert: Die Homophobie ist ganz klar systematisiert und von der Regierung initiiert. Die Hasskampagne der Regierung gegen LGBT+ Communities hat uns entmenschlicht. Sogar gerichtlich wird es LGBT+-Menschen schwer gemacht.

Wie das?

S: Momentan ist es so, dass wenn man eine Geschlechtsumwandlung vornehmen lassen möchte, man gegen seine Eltern vor Gericht gehen muss. Selbst, wenn sie einen unterstützen. Man muss sie quasi öffentlich dafür verantwortlich machen, dass man das falsche Geschlecht hat. Es ist absurd.

Glaubt die Bevölkerung der Regierung?

H:. Während der Wahlkampfzeit haben wir tatsächlich viel Unterstützung von der Gesellschaft bekommen, zum Beispiel mit Spenden. Dass die Situation für uns derart prekär ist, hat viele Menschen motiviert, uns zu helfen und sich aktiv einzubringen. Selbst vielen Menschen, die nicht aus der LGBT+-Community kommen, werden die Lügen langsam zu viel.

S: Viele Leute unterstützen uns, nicht unbedingt mit Regenbogenflaggen auf der Straße. Sondern auch durch Kommentieren oder Teilen in den sozialen Medien. In vielen Medienbeiträgen aus Regierungsnähe, in denen zum Beispiel Homosexualität mit Pädophilie gleichgesetzt wird, schreiben Leute darunter: Das stimmt nicht.

Also wird die Gesellschaft aktiver?

S: Vor zehn Jahren hat sich noch niemand um die Probleme der LGBT+-Community gekümmert, außer uns selbst. Auch die Politik hat uns nicht gesehen. Die Sichtbarkeit bringt Unterstützung, aber natürlich auch die riesige Homophobie vieler zutage. Die Gesellschaft ist gespalten.

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