So müssen die Städte der Zukunft aussehen – im Interview mit Sally Below
Das ganze Interview gibt’s bei Viertel \ Vor.
Die Bau- und Immobilienbranche ist weltweit verantwortlich für ein Drittel der Ressourcennutzung, die Hälfte des Energieverbrauchs und die Hälfte des Müllaufkommens – und wir reden über Kaffeebecher und plastikfreie Zahnbürsten. Höchste Zeit, den Fokus über den Tellerrand der klassischen Lifestyle-Themen hinaus zu lenken und zu fragen: Existieren Alternativen zu energiefressendem Stahlbeton und Glasfassadenwolkenkratzern? Und wie können nachhaltige Städte aussehen?
Die Ausstellung „Lehmarchitektur heute„, die noch bis zum 21. April im CLB im Aufbauhaus am Berliner Moritzplatz zu finden ist, geht dieser Frage auf den Grund. Sie zeigt uns, dass Lehm und Holz nicht nur praktikable Gegenvorschläge zu gängigen Materialien sind, sondern auch noch verdammt cool und modern aussehen können: Minimalistisch, geometrisch und hell, und dazu noch warm und einladend. Wir haben mit der Urbanistin und Kuratorin der Ausstellung Sally Below über nachhaltiges Bauen, Lehm und die Zukunft der Stadtentwicklung gesprochen.
Liebe Sally Below: Wieso Lehm?
Unsere Ausstellung möchte zeigen: Lehmhäuser sind keine Hütten, in denen kleine Schlümpfe wohnen, sondern es geht hier um Architektur, um zeitgenössisches Bauen. Die Assoziationen mit Lehm werden der Wahrheit oftmals bei weitem nicht gerecht. Wir wollen zeigen: Lehmhäuser können sehr gut aussehen, sie können in der Stadt existieren und ein Teil des Stadtbilds sein. Sie tragen zur Luftverbesserung bei, Leute, die in ihnen wohnen, sind teilweise gesünder. In Städten ist ein solches Bauen sogar noch wichtiger als auf dem Land. Die Botschaft, die wir überbringen wollen, ist wichtig, aber sie sickert noch zu langsam durch. Wir müssen mehr Leute erreichen, die sagen: Nachhaltige Städte können selbstverständlich sein.
Wird das Angebot denn bereits angenommen? Oder sind’s nur die Architekten, die herkommen?
Es ist tatsächlich sehr unterschiedlich, bei dieser jetzigen Ausstellung ist unser Publikum sehr divers. Es scheint, als würden Architekturalternativen immer mehr Menschen interessieren.
Ist das vielleicht durch den Zugang so? Dass man sich auf eine künstlerische Art komplexen nachhaltigen Themen nähert?
Ich finde die Erklärtexte über den TERRA Award, auf dem die Ausstellung basiert, sehr anschaulich geschrieben, die Fotos sind schön. Und es gibt ausführliche Informationen, die vermitteln: Wie baue ich überhaupt mit Lehm? Wir haben Lehmexponate zum Anfassen hier, sogar Kinder können hier also Zeit verbringen. Es ist wichtig, die unterschiedlichsten Zielgruppen abzuholen – wir sind keine Architekturgalerie. Die Vermittlung losgelöst von Expertenplattformen ist sehr wichtig und Kontext ebenso.
Wie viel Lehm-, Holz- und Bambusarchitektur ist denn realistisch in einer Stadt wie Berlin?
Wichtig ist es, dass große Gebäude auf diese Weise gebaut werden. Damit gezeigt wird: Es ist nicht unbedingt eine Nische, man kann nicht nur Einfamilienhäuser mit diesen nachhaltigen Materialien bauen. Je größer und präsenter die Gebäude, desto größer der Nachahmeffekt. Die Stadt Berlin fängt gerade an, gezielt eine ganze Reihe von Schulgebäuden mit Holz zu bauen. Wenn das dann irgendwann Gang und Gäbe ist, kommen vielleicht die nächsten Projekte und so weiter.